Seriösität ist das A und O
An ihrer Arbeit im Pfandleihhaus schätzt Wiebke Feuser „die Vielseitigkeit“. „Ich komme mit vielen, unterschiedlichen Menschen in Kontakt“, verrät die Kommandistin der Friedrich Werdier KG. Gegründet wurde das Unternehmen 1906 von ihrem Ururgroßvater, die Essener Filiale am 5. April 1965 von ihrem Opa, Gustav Struck. Auf Laufkundschaft war der Standort weniger angewiesen, denn vor dem Geschäft hielten seinerzeit sechs Linien der Stadtbahn. Nachbarin war die Stadtbibliothek. Die findet sich längst woanders, am Gildehof-Center, und bereitet sich gerade auf den nächsten Umzug vor. Das Leihhaus Werdier ist immer noch an Ort und Stelle.
»Damals wurden sie dafür ausgelacht. Heute ist sie Voraussetzung für die Versicherung.«
Wiebke Feuser
Kommandistin
Friedrich Werdier KG
An ihrer Arbeit im Pfandleihhaus schätzt Wiebke Feuser „die Vielseitigkeit“. „Ich komme mit vielen, unterschiedlichen Menschen in Kontakt“, verrät die Kommandistin der Friedrich Werdier KG. Gegründet wurde das Unternehmen 1906 von ihrem Ururgroßvater, die Essener Filiale am 5. April 1965 von ihrem Opa, Gustav Struck. Auf Laufkundschaft war der Standort weniger angewiesen, denn vor dem Geschäft hielten seinerzeit sechs Linien der Stadtbahn. Nachbarin war die Stadtbibliothek. Die findet sich längst woanders, am Gildehof-Center, und bereitet sich gerade auf den nächsten Umzug vor. Das Leihhaus Werdier ist immer noch an Ort und Stelle.
Im Innern hat sich natürlich viel getan. Wobei: Schon Gustav Struck legte großen Wert darauf, dass das Interieur seines Geschäfts höchste Seriosität ausstrahlte. Ein Ansinnen, das seinem Sohn und Nachfolger, Joachim Struck, bis heute am Herzen liegt. Wer die hellen Räumlichkeiten betritt, fühlt sich an eine Bank erinnert. Mit der Vorstellung schummriger „Pawn Shops“, wie man sie aus US-Filmen und -Serien kennt, hat das hier nichts zu tun. „Mein Großvater und Vater waren stets bestrebt, die Branche voranzutreiben. Zum Beispiel waren sie die ersten, die eine hoch technologisierte Schleuse zum Tresorraum installiert haben. Damals wurden sie dafür ausgelacht. Heute ist sie Voraussetzung für die Versicherung“, erklärt Wiebke Feuser.
Übergabe an die nächste Generation steht bevor
In ihre Fußstapfen wird die 36-Jährige treten. Schon jetzt kümmert sich Feuser um das Tagesgeschäft in Essen und den weiteren Filialen in Duisburg, Bochum und Berlin, unterstützt von Vater Joachim, der sein administratives Knowhow einbringt und als Ehrenpräsident des Berufsverbandes der Pfandleiher wirkt. Die offizielle Übergabe werde derzeit vorbereitet.
Dass es so kommen würde, habe die designierte Geschäftsführerin anfangs nicht gedacht. „Meine Eltern ließen es mir immer offen, welchen beruflichen Weg ich einschlage“, so die zweifache Mutter, die zunächst eine klassische Lehre zur Bankkauffrau absolvierte und anschließend Wirtschaftswissenschaften studierte. Alles schien ausgerichtet auf eine Konzernkarriere, doch die behagte ihr nicht so recht. Stattdessen entschied sie sich doch fürs Familienunternehmen – sehr zur Freude des Vaters. Die ehemaligen Kommilitonen hingegen rieben sich, angesichts ihrer Vorbehalte dem Pfandkreditwesen gegenüber, verwundert die Augen. „Dabei geht es bei uns nicht intransparenter zu als bei einer Bank“, ist sie überzeugt.
Pfandkredite im Wandel: Technik ist das Gold von heute
Ein Pfandkredit gilt als unbürokratisch, der Kreditnehmer benötigt keine Einkommens- oder Schufa-Nachweise, er haftet allein mit seinem Gegenstand, den er in Zahlung gibt. In der Regel bleiben ihm vier Monate, seine Besitztümer wieder auszulösen, zuzüglich Gebühren und Zinsen, wobei die Frist verlängert werden kann. Gängige Pfandsachen sind Schmuckstücke oder Uhren. Früher wurden auch Pelze, Teppiche oder sogar Bettwäsche hinterlegt, doch die Zeiten sind vorbei. „Smartphones und Tablets sind das Gold von heute“, klärt die Geschäftsfrau auf.
»Damit ihre Mitarbeitende nicht auf ihre Gehälter warten mussten, haben sie ihre Habseligkeiten in Zahlung gegeben.«
Ein Vorurteil, mit dem Wiebke Feuser immer wieder konfrontiert wird, lautet: Als Pfandleiherin profitiere sie vom Leid anderer. „Natürlich vergeben wir in Krisenzeiten zunächst mehr Kredite. Aber wenn die nicht mehr bedient werden können, haben wir wenig davon“, entgegnet sie. Freilich wisse sie von Menschen zu berichten, bei denen das Gehalt oder die Rente immer weniger zum Leben reicht. „Es ist aber nicht so, dass alle weinend zu uns kämen, sondern viele sind dankbar, dass wir ihnen schnell und unkompliziert weiterhelfen“, räumt Feuser auf.
Ein kurzfristiger Engpass, eine unvorhergesehene Ausgabe, eine spontane Kauf-Gelegenheit – die Gründe, weshalb der Gang ins Pfandhaus Werdier statt zu einer Bank führt, sind mannigfaltig. „In Corona-Zeiten waren es verstärkt Handwerker, die Außenstände hatten, weil Kunden nicht pünktlich bezahlten. Damit ihre Mitarbeiter nicht auf ihre Gehälter warten mussten, haben sie ihre Habseligkeiten in Zahlung gegeben“, berichtet Feuser. Und weiter: „Superreiche und Mittellose – die erreichen wir nicht. Dazwischen kommt eine breite Schicht zu uns.“