Logistikunternehmen planen mit steigendem Flächenbedarf
Das Ruhrgebiet ist mit 5,1 Millionen Menschen nicht nur das drittgrößte Ballungsgebiet in Europa, sondern auch eines der wichtigsten europäischen Logistik-Drehkreuze. Mit dem Duisburger Hafen duisport, der Straße, Schiene und Wasserwege – beispielsweise nach Antwerpen oder Rotterdam – vereint, dem Dortmunder Hafen und zahlreichen weiteren Logistik-Hotspots, bietet das Ruhrgebiet ideale Voraussetzungen für die mehr als 3.000 dort ansässigen logistikorientierten Unternehmen. Netzwerke wie das EffizienzCluster LogistikRuhr und das Zentrum für Logistik und Verkehr (ZLV) helfen dabei, das Ruhrgebiet noch stärker als Kompetenzzentrum im Bereich Logistik zu positionieren. Dank der hohen Bevölkerungsdichte ist die Region ein attraktiver Absatzmarkt für Handelswaren und Unternehmen können auf eine große Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte zurückgreifen.
Die Flächen werden knapp – im gesamten Ballungszentrum
Allerdings ergibt sich für die gesamte Logistikregion eine zentrale Herausforderung: Überall mangelt es an Flächen. Die großen Brownfields aus dem Bergbau sind nahezu erschöpft, neue Kapazitäten in größerem Umfang nicht in Sicht. Diese Flächenknappheit erstreckt sich über sämtliche Arten von Logistikimmobilien, von der großformatigen Big-Box-Lösung bis hin zum kleineren innerstädtischen Gewerbepark.
Essen ist vor allem durch kleinere Businessparks geprägt
Essen nimmt innerhalb des Ruhrgebiets beziehungsweise der Logistikregion Duisburg-Niederrhein als Kernstadt eine besondere Rolle ein. Hier stehen vor allem kleinere Logistikflächen in Form von Business- und Unternehmerparks, also gemischt genutzten Objekten mit einzelnen Flächengrößen von bis zu 2.000 Quadratmetern zur Verfügung. Vereinzelt existieren größere Flächen von bis zu 15.000 Quadratmeter Umfang. Die klassische Big-Box-Logistikhallen entstehen hingegen vor allem in den Gebieten um Dortmund und Duisburg – unter anderem, um den dichten Verkehr im Inneren des Ruhrgebiets wo immer möglich zu vermeiden beziehungsweise dieses Gebiet nicht zusätzlich zu belasten.
Dennoch ist die Nachfrage vor allem nach produktionsnaher Logistik auch innerhalb Essens hoch. Zu den lokalen vorherrschenden, logistikrelevanten Branchen gehören unter anderem das Baugewerbe, die chemische Industrie, die Elektroindustrie, Gummi- und Kunststoff-Waren, Handelsunternehmen sowie das Automotive-Segment. Demzufolge ist der Standort auch attraktiv für entsprechend spezialisierte Dienstleister.
Charakteristisch für Essen ist zudem, dass Bürokomplexe und Gewerbeparks einander abwechseln – es zeigt sich eine deutlich stärkere Mischung als in anderen deutschen Städten, wo die Büros klassischerweise in den Kernstädten und die Gewerbeparks am Rande dieser Kernstädte liegen.
Vermietungsseitig gehören Essen und Dortmund zu den gefragtesten Standorten im gesamten Ruhrgebiet, was sich durch aktuelle großformatige Deals zeigt. Beispielsweise wurden Ende Juli zwei Etagen eines Bürokomplexes in der Kettwiger Straße vermietet, in den aktuell wirtschaftlichen Zeiten ist das auch im gesamtdeutschen Vergleich bemerkenswert. Insgesamt erleben wir stärkere Marktbewegungen bei Büro und Flex-Spaces sowie kleineren Gewerbehallen, größere Lagerhallen werden eher vereinzelt vermietet. Die Mietpreise bewegen sich im Bestand zwischen 5,00 und 6,00 Euro je Quadratmeter und Monat, wobei das stark vom Zustand der Halle abhängig ist. Im Neubau werden Preise zwischen 6,50 und 7,50 Euro aufgerufen.
Neubauprojekte entstehen durch Brownfield-Revitalisierung
Aktuell prägen drei wichtige Neubauprojekte den Logistik- und Gewerbestandort Essen. Erstens ist hier der „Business Park City Dock Essen“ zu nennen. Der Entwickler Panattoni realisiert auf dem Areal eines ehemaligen Schulungsgeländes rund 15.200 Quadratmeter Logistik- und Gewerbefläche. Das Projekt konnte Ende 2022 erfolgreich abgeschlossen werden. Die Flächen sind zwischenzeitlich vollständig vermietet. Zweitens entwickelt die TÜV Nord Group den nördlichen Teil des Geländes am Technologiepark in Essen-Frillendorf auf einer Fläche von insgesamt rund 75.000 Quadratmetern neu. Das aktuell größte Projekt ist die Umwandlung der ehemaligen Zeche Matthias Stinnes mit rund 87.000 Quadratmeter Gesamtfläche, die bereits seit einigen Jahren sukzessive neu entwickelt wird. Weitere Grundstücksreserven oder freie Standorte gibt es jedoch nicht.
All diese Projekte haben eines gemeinsam: Es handelt sich ausnahmslos um Brownfield-Revitalisierungen. Da es keine Möglichkeit zur Entwicklung auf der grünen Wiese mehr gibt, ist der Rück- und Neubau die einzige Variante, um neue Flächen auf den Markt zu bringen. Klassischerweise handelt es sich um Flächen, die durch den Strukturwandel obsolet geworden sind. Oftmals stellen diese Objekte für die Entwickler eine größere Herausforderung dar, da beispielsweise der Boden dekontaminiert werden muss. Dies entspricht jedoch auch den politischen Zielen, eine Flächenkreislaufwirtschaft zu erreichen. Bis 2030 will die Bundesregierung die tägliche Flächenversiegelung auf 30 Hektar senken, aktuell liegt der Wert bei etwa 54 Hektar.
Logistikimmobilien als Teil der Energiewende
Moderne Logistikimmobilien, die durch solche Brownfield-Redevelopments entstehen, setzen oftmals ein wichtiges Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit. Sie werden in ressourcenschonender Bauweise errichtet und teilweise oder vollständig mit Dach-Photovoltaikanlagen ausgestattet, auch der Einsatz von Windturbinen ist möglich. Bei den stark gestiegenen Energiekosten unterstützen Maßnahmen wie diese dabei, die Betriebskosten zu reduzieren. Wichtig ist jedoch ebenso eine konsequente Messung der Verbrauchsdaten, um gezielte Einsparmaßnahmen zu identifizieren. Weitere Maßnahmen wie Dachbegrünung oder die Ansiedlung lokaler Tier- und Pflanzenarten tragen ebenfalls zu einer höheren ökologischen Nachhaltigkeit bei.
Allerdings können solche Logistikimmobilien auch Überschüsse produzieren und den grünen Strom ins lokale Stromnetz einspeisen. Großflächig installierte Photovoltaikanlagen helfen so dabei, die ehrgeizigen Pläne der Landesregierung zu erreichen: Diese plant, bis zum Jahr 2023 24 Gigawattpeak Leistung durch Solarstrom zu erzeugen und somit den Wert von 2020 zu vervierfachen.
Auch die Essener Gewerbeparks können durch diesen Ansatz zu Kraftwerken werden, die bei der lokalen Umsetzung der Energiewende helfen. Neben Photovoltaikanlagen können Windparks in Gewerbegebiete integriert werden, der Einsatz von Geothermie ist ebenso denkbar wie Blockheizkraftwerke. So wird aus einem Gewerbegebiet ein Kommunaler Energiepark.
Die Erschwinglichkeit der Flächen wird zum Schlüsselfaktor
Die Logistikwirtschaft in Essen hat dank der hohen Nachfrage und der exzellenten Infrastruktur viel Potenzial. Zudem genießt sie weitgehend den Rückhalt der Kommune, was in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. Allerdings sorgen die schwächelnde Wirtschaft sowie die gestiegenen Zinsen dafür, dass neue Immobilienprojekte teilweise verschoben werden. Von den bundesweit circa 2,1 Millionen Quadratmeter Neubaufläche, für die im laufenden Jahr der Spatenstich erfolgte, entfallen weniger als 100.000 Quadratmeter auf die beiden Logistikregionen Östliches Ruhrgebiet und Duisburg/Niederrhein. Das könnte den Nachfrageüberhang weiter verschärfen und die Mietpreise anheben.
Die mittel- bis langfristige Entwicklung des Logistikstandorts Essen ist also maßgeblich von der Frage abhängig, wie viele erschwingliche Flächen dem Markt zur Verfügung stehen werden.