Ulrich Mayer ist für Maschinenbauer auf der ganzen Welt tätig
Eines Tages, es war in Chicago zur Adventszeit, mimte Ulrich Mayer ebenso bereitwillig wie grandios die Ehefrau von „Santa Claus“. Auf Wunsch eines US-amerikanischen Unternehmers hatte „Rick“ die Rolle mit entsprechender Verkleidung übernommen – die versammelten Manager waren begeistert von der Darbietung des Deutschen. Und Ulrich Mayer kehrte mit einem Großauftrag in die Heimat zurück.
Der Wahl-Essener hat Dutzende solcher Anekdoten aus dem internationalen Geschäftsleben auf Lager. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann und studierte Betriebswirt hat im Laufe seiner Karriere die halbe Welt bereist. Jeweils mehrere Jahre lebte er unter anderem in Taiwan und Nordamerika. Als „Springer“ war er monatelang auf den Philippen, in Südkorea und diversen anderen Staaten tätig. Die Krupp Maschinentechnik GmbH in Essen oder der Krefelder Maschinen- und Anlagenbauer Siempelkamp waren seine Arbeitgeber. Zuletzt war er Vorstand bei einem Unternehmen der Schienenfahrzeug-Industrie. Dann lief sein Vertrag aus und Ulrich Mayer beschloss, seine Fähigkeiten auf selbstständiger Basis zu nutzen. Im September 2003 gründete er in Essen die Commerzielle Union als internationales Consultingbüro für mittelständische Maschinenbauer zum Thema Vertrieb. „Meine Spezialität sind der Export, die Um- und Neuorganisation, Produkteinführungen sowie die Erschließung neuer Märkte“, erklärt Ulrich Mayer.
»Ich brauche nicht nur engen Kontakt zur Geschäftsführung, sondern auch und vor allem zum Vertriebsteam.«
Ulrich Mayer
Fachkräftemangel sorgt für Nachfrage
In Zeiten des Fachkräftemangels kann er sich über fehlende Nachfrage nicht beklagen. „Erfahrene Vertriebsleiter mit technischem Verstand werden händeringend gesucht“, berichtet er. „Viele Maschinenbauer im Mittelstand können leider nicht alle möglichen Aufträge reinholen, weil es personell im Vertrieb hakt.“ Hier kommt Ulrich Mayer ins Spiel, der sich seines Wertes bewusst ist: „Guter Rat ist nun einmal teuer.“ Als Interims-Manager ist er manchmal sechs Monate, manchmal zwei Jahre als externer Profi für seine Auftraggeber tätig. Maximal drei Posten parallel könne er zeitlich schaffen. Mehr sei nicht drin – „wenn man gute Arbeit abliefern will“. Aktuell liegt ihm beispielsweise das Angebot vor, einen plötzlich abgesprungenen Vertriebsleiter übergangsweise zu ersetzen. „Das Unternehmen möchte mit meiner Hilfe drei bis vier neue Märkte für sich öffnen.“
Lässt man die besondere Lage durch Corona außen vor, gehört das Reisen – sowohl innerhalb Deutschlands als auch rund um den Globus – für den 66-Jährigen nach wie vor zum Alltag. Bei seinen Mandanten erhält er in der Regel ein eigenes Büro, um ganz nah dran zu sein am Geschehen. „Ich brauche nicht nur engen Kontakt zur Geschäftsführung, sondern auch und vor allem zum Vertriebsteam.“ Um als „Neuer“ und „Externer“ respektiert zu werden, müsse man für die Sache brennen. „Nur so kann ich die Leute begeistern und mitziehen.“ Zudem ist es seiner Erfahrung nach entscheidend, mit „mutigem Beispiel“ voranzugehen: „Bei neuen Herausforderungen bin ich immer der erste, der in den Schlamm springt.“ Viele Vertriebsleute hätten panische Angst vor einer Abfuhr, vor allem auf bislang unbekanntem und damit unkalkulierbarem Terrain. Diese Angst wolle er ihnen nehmen. „Natürlich besteht immer das Risiko, sich in gewisser Weise zum Affen zu machen. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt – so abgedroschen es auch klingen mag.“
Manager packt Stier bei den Hörnern
Die bewusst hemdsärmelige Herangehensweise steht im Kontrast zum Äußeren des gebürtigen Hanseaten, der sich als „klassischen ehrbaren Hamburger Kaufmann“ versteht. Dazu gehört für den Zwei-Meter-Mann auch das entsprechende Outfit: dunkler Blazer, weißes Hemd, gestreifte oder gepunktete Krawatte, edel marmorierte Brille. Sein Motto lautet: „Stets den Stier bei den Hörnern packen.“ Auch hierfür hat er eine wunderschöne Anekdote parat. Nach der Übernahme eines insolventen deutschen Drehmaschinenherstellers durch ein amerikanisches Industriekonglomerat lautete sein Auftrag, den Vertrieb neu aufzustellen. Zunächst nahm er jene Key Accounts ins Visier, bei denen man in der Vergangenheit nicht erfolgreich gewesen war. So fand er in einem Schrank zahlreiche Akten, die allesamt den Namen eines großen Autoherstellers trugen – es war eine gewaltige Sammlung vergeblicher Angebote. Doch woran waren sie gescheitert? Das konnte ihm keiner sagen. Der Interims-Manager schnappte sich daraufhin die Akten, warf sie in den Kofferraum seines Wagens und fuhr zum Hauptsitz des Autobauers. Dort angekommen, meldete er sich kurzerhand beim Chefeinkäufer an und bekam tatsächlich einen Termin. „Danach waren wir der Haus- und Hoflieferant“, fasst Ulrich Mayer das damalige Ergebnis zusammen.
Mal eben einen Managerposten
Er pflegt den „American Way of Business“. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass man einen Managerposten manchmal beim Pizza-Essen bekommt. Oder dass eine gemeinsame Zigarettenpause am Fuße eines Wolkenkratzers den Abschluss eines Mega-Deals einleiten kann. Die große Herausforderung in deutschen Unternehmen sieht er in der häufig bestehenden „innerbetrieblichen Opposition“ der Vertriebsabteilung zu den Ambitionen der Firmenspitze. „Viele Manager sind zu satt. Sie ruhen sich auf vollen Auftragsbüchern aus.“ Seine Aufgabe bestehe nicht zuletzt darin, „das Fett durch Aktivitäten auf neuen, unbekannten Märkten wieder abzutrainieren“.
Strategie entwickeln und umsetzen
Sofort hat er wieder ein Beispiel bei der Hand: Der Geschäftsführer eines familiengeführten Anlagenbauers wollte – nach Jahren der Stagnation – wieder Umsatzwachstum erreichen. „Meine Aufgabe war es, eine entsprechende Strategie zu entwickeln und umzusetzen.“ Dabei sei deutlich geworden, dass die Zusammenführung eines bewährten Maschinentyps mit neuen fertigungstechnischen Herausforderungen beim Kunden eine grundlegende konstruktive Überarbeitung erforderlich machte. Der Manager auf Zeit initiierte umfangreiche Workshops mit einem asiatischen Key Account Manager, „der gesteigertes Interesse hatte, die sehr hohe technische Qualität der
existierenden Maschine mit seinen neuen Fertigungsanforderungen zu kombinieren – natürlich ohne eine umfangreiche Neukonstruktion mit entsprechenden Kosten“. Das Ergebnis des Prozesses war eine auf Bewährtem basierende „Neumaschine“, die zur Zufriedenheit der asiatischen Kunden umgehend in der Produktion eingesetzt wurde. Ulrich Mayer führt diesen Erfolg nicht zuletzt auf ein hohes Maß an interkulturellem Verständnis zurück. „Im internationalen Geschäftsleben geht es darum, die Mentalität des Gegenübers zu verstehen.“ Deutsche Besserwisserei sei ein absoluter Deal Breaker.
Mit Menschen & für Menschen
Ulrich Mayer ist ein Unternehmer alter Schule. Von modernen Vertriebstools hält er wenig bis gar nichts. Seine Fort- und Weiterbildung besteht ausschließlich in der täglichen Praxis und dem Studium der einschlägigen Wirtschaftsblätter aus New York, London oder Frankfurt. „Vertrieb wird auch im 21. Jahrhundert von Menschen, mit Menschen und für Menschen gemacht“, sagt er.
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